12. Mai 2022
[Ich liege krank auf der Couch und schlafe viel. Anubis ist jederzeit nahe, und
wir reden die letzten Tage ungebrochen viel. Ich hatte mir vorgenommen, mit
dem Gott Khonshu als nächstes zu sprechen. Es gab viele Auslöser – einer davon
war die neue Marvel-Serie »Moon Knight«.
Ich liege also so halb-bewusst da, als ich plötzlich ein Krächzen höre. Nicht von
einem Vogel, sondern wie von einem Mann, der zu seinem ersten Satz des Tages
ansetzen möchte. Natürlich ist das Geräusch nicht WIRKLICH in meinem Haus, es ist auf dieser speziellen Frequenz, auf der sie alle mit mir sprechen.]
T: Khonshu? ... Bist du das?
K: [räuspert sich weiter] Durchaus, ja.
T: Du klingst genau wie das Film-Pendant.
K: Ich wollte diese Stimme, ich mag sie. Und du hast dich ohnehin an sie
gewöhnt. [Er baut das Bild des Vogelgottes vor mir auf – mit dem gleichen
langen Schädel eines toten Vogels und den flatternden Mumifizierungsbandagen.
Er kommt näher an die Couch heran, und ich bekomme Angst, weil sein Oberkörper
zu meinen aufgestellten Knien vorrückt. Meine Erinnerungen an Anubis
flammen auf. Er weicht wieder zurück.]
K: Entschuldige die Startschwierigkeiten. Es ist LANGE her, dass ich das letzte
Mal eine Stimme und ein Abbild geformt habe. Ich bin dir nicht wirklich so nahe
gekommen, wie du interpretiert hast, aber es nützt ja nichts. Ich hätte vorsichtiger
sein sollen.
[Anubis erscheint.]
A: Ja, das hättest du!
[Khonshu blickt an seiner Form auf und ab.]
K: Ah, ich sehe, du hast wesentlich mehr Erfahrung mit dieser sehr speziellen
jungen Dame hier.
T: [rückt direkt an A. heran] Sag mal, wie erkennt ihr das denn eigentlich voneinander? Seid ihr offene Bücher füreinander oder was?
K: Ah, die Fragen starten ja doch umgehend. Schön.
[Ich hatte gemerkt, dass es ihn genervt hatte, dass ich alles noch einmal
rekapitulieren und aufschreiben musste. Die ersten paar Sätze hatte ich keinen Zettel und Stift zur Hand.]
K: Ich kann es in seinem Energiefeld sehen. Es ist so, als wärst du ein Topf voll
roter Farbe, mit dem er spielt. Das bleibt nicht ohne Abfärbungen. Genau
genommen färbt ihr gegenseitig kräftig aufeinander ab, bis ihr fast gleich ausseht
in eurem Farbspiel.
T: [ungläubig] Anubis ist ein Gott.
K: Mit einer sehr niedrigen, extra angefertigten Form. Er hat dir doch so oft
erzählt, wie gleich ihr dadurch seid.
T: Es gibt wirklich keine Geheimnisse unter euch, hm?
K: Wenige. Und ist es nicht besser so?
[Ich muss daran denken, dass isis SOFORT kam, als ich sie neulich rief.]
T: Doch doch, stimmt schon. Sag mal, warum hast du beschlossen, mich gerade
jetzt anzusprechen?
K: Die Gelegenheit war besonders günstig. Durch die Halsschmerzen hast du dir freie Zeit geschaffen [Krankmeldung], und die möchte ich nutzen.
T: Moment ... warst du das mit dem Hals?
K: Es war natürlich nicht mein direktes Ziel, aber mein Herabstieg in deine Nähe
hat Effekte, das muss ich zugeben.
T: Ich habe den anbrechenden Kontakt mir dir als starke Halsschmerzen manifestiert?
Das ist auch mal was neues ...
K: Es ist vielleicht wichtig, zu erwähnen, dass ich dafür nichts kann. Aber in
Zukunft wirst du Energien, die mir stark ähneln, nicht mehr so implementieren
müssen.
[Er zeigt auf Anubis.]
Ich hoffe, wir haben ein erstes Grundvertrauen aufgebaut und du kannst deinen Wachhund wegschicken.
T: DAS HAST DU GRADE NICHT WIRKLICH GESAGT. :-O :-O :-O
A: [knirscht] Ist okay, ich bin es gewöhnt.
T: Solche Witze musst du dir anhören?
A: Was soll ich denn machen? Sie zerschmettern? [smite them?] »The Least of the Gods«, remember?
T: Den letzten beißen die ... ach, SCHEISSE!!
[Khonshu wirft den Kopf in den Nacken und lacht schallend laut.]
K: Ich mag die Kleine!
T: Fuck ... es tut mir so leid, Anubis. Ich wollte das nicht denken!
A: Das ist sein Einfluss, schon okay.
T: [zu Khonshu] Du bist ein fieses Schwein!
K: Nein, ich bin ein Gott mit starker Raubvogel-Energie ... und Raubvögel schlagen zu, wenn sie eine Gelegenheit sehen. Also?
A: Jaja, ich geh ja schon. [Er nimmt mich in den Arm.] Ruf mich. Jederzeit.
Okay?
T: Okay, danke.
[Khonshu lässt einen Sessel hinter sich erscheinen und setzt sich hinein.] Endlich!
T: Du bist so gemein.
K: Harte Schale, weicher Kern. Du weißt doch, dass der in-story Teil [also der schauspielerische Anteil unseres Gespräches] abnehmen
wird. Lass mir doch den Spaß, wie dein kreatives Hirn aus meinem Film-Ich und
meinem echten Ich gerade etwas Neues spinnt.
T: Was magst du für Musik? Wie möchtest du unseren Monat gestalten?
K: Oh, ich nehme das gleiche Programm, das die anderen bekommen haben. Ich will das Interview. Ich will die Gelegenheit, meinen Standpunkt klarzustellen. Denn
wenn ihr momentan schon (gefühlt) in der Zeit des jüngsten Gerichts seid, dann
sollst DU meine Anwältin sein.
T: [fällt die Kinnlade herunter]
K: Was? Ich erzähle doch nichts Neues. Du wurdest geboren mit Ohren, die uns
besonders gut hören können, und dem offenen Geist, uns so zu nehmen, wie wir
erscheinen. Das ist an sich schon etwas Besonderes. Und fleißig bist du auch
noch – das ist quasi die Kirsche auf dem Sahnetörtchen.
T: Ich kann wirklich nicht sagen, ob du mich loben oder beleidigen willst.
K: Die anderen sind mit ihren Komplimenten ja nicht sehr weit gekommen, nicht wahr? Also versuche ich es so.
T: Hm. Also? Dann leg mal los. Erzähl mir von dir, und wo du die letzten groben
3.000 Jahre gesteckt hast.
K: Erst unser Pakt.
T: Bitte?
K: Ich bin ein großer Fan von geordneten Verhältnissen und klaren Linien. Also?
Versprichst du mir, mir meinen Monat einzuräumen, wie den anderen? Wenn
möglich unter 30 Minuten Zeit-Einsatz pro Tag? Auch wenn ich an der einen oder
anderen Stelle den Finger in die Wunde lege und dich in Rage bringe?
T: Ich verspreche es. Ich werde tun, was mir möglich ist. Du erhältst die gleiche
Chance wie alle anderen.
[Er streckt mir seine knochige Hand hin und schüttelt meine.]
K: Ich bin eine Mondgottheit, und wie du ganz richtig erzählt bekamst, beschütze
ich die, die nachts reisen. Da die Nacht auf eurem Planeten leider zusehends
unter Attacke steht, habe ich lange nicht den gleichen Stellenwert wie früher –
aber das ist ja unter uns gesprochen nichts Besonderes mehr. Die Menschen
haben vergessen oder verdrängt, wozu die Nacht ursprünglich gedacht war. Ja,
sie konnte auch gefährlich sein, besonders in der Wüste. Aber die Nacht bringt
dich auch - wie die Trauer – dem Wesentlichen näher. Dir selbst näher. Uns
näher. Mit all diesen Aspekten wollen wir uns beschäftigen, und ich bin gewillt,
besonders ehrlich Auskunft zu geben.
T: Dann freue ich mich sehr auf morgen!
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